Rundbrief Nr. 151 – Im Januar 2020

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser!

In seiner 1957 verfassten Komödie „Zeus lächelt oder Die Abenteuer des Zeus“ spießt Stefan Andres das Denunziantentum auf als eine Plage, die besonders in Zeiten politischer Kurswechsel grassiert.

Wie Andres sich selbst in die Lage des Opfers einer Denunziation brachte, berichtet seine Frau Dorothee in ihren Erinnerungen („Carpe Diem“, Bonn 2009) im Rückblick auf das Jahr 1941:

Stefan Andres hatte beim Besuch der Biennale in Venedig in Anwesenheit von Journalisten und Vertretern des Propagandaministeriums „eine kleine Rede gehalten, die schon bei den ersten Sätzen den Anwesenden das Blut stocken ließ.“ Andres musste davon ausgehen, dass man seine prophetische Sicht des Kriegsverlaufs dem Propagandaministerium hinterbringt: „Und so würden eines Tages mit Gewissheit alle Bomben, die gerade jetzt in Russland auf Frauen und Kinder fielen, zurückfallen auf die deutschen Frauen und Kinder“.

Und Andres weiß auch, wer der Denunziant ist, denn in einem fiktiven Brief an „den gehobenen Denunzianten“ richtet er sich direkt an den Vertreter des Ministeriums mit dem Vorwurf,

„ … dass es Leute gab wie Sie, Herr Doktor, die – ob nun aus Neid oder Rachsucht oder einfach aus ehernem Pflichtgefühl – erwachsenen Männern das Gruseln beibrachten.“ („Lieber Freund – lieber Denunziant. Briefe“, München 1977, hrsg. von Dorothee Andres nach der Niederschrift „Briefe an Freund und Feind“ von Stefan Andres im Jahr 1946).

Die bedrückende Erfahrung der Denunziation ist zwar in die Komödie „Zeus lächelt“ eingegangen, die Bedrohung erfährt aber dort eine Wendung ins Komische, da die Denunziation ausgerechnet durch den Kommandanten der Geheimpolizei mehr als entschärft wird.

Ihr

Im Namen der Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Keil

Anhang: Szene aus „Zeus lächelt“.

Rundbrief Nr. 150 – Im Dezember 2019

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser!

In seiner Ode „Der Granatapfel“ (1950) beschwört Stefan Andres das Leben des Menschen im Sinnbild einer Frucht, die schon immer als zeichenhafter Hort der Liebe und des Segens galt.

Der schicksalhafte Verlust dieser Geborgenheit ist nur erträglich, weil es eine Hoffnung auf Heimkehr und Rettung gibt.

Andres‘ Verse spiegeln Goethes Worte aus dem West-östlichen Divan: „Und solang du das nicht hast / Dieses:  Stirb und werde! / Bist du nur ein trüber Gast / Auf der dunklen Erde.“

Der geborstene Granatapfel über dem Grab von Stefan Andres und seiner Frau Dorothee auf dem Campo Santo Teutonico im Herbst 2019 (Anhang) suggeriert, dass die römischen Vögel das Gedicht gelesen und ihren allegorischen Beitrag zum Werdegang des Menschen verstanden haben: Sie sind dabei, die Kerne aus der bergenden Frucht zu entführen.

Im Namen der Stefan-Andres-Gesellschaft mit adventlichen Grüßen

Ihr Wolfgang Keil

Anhang: Stefan Andres: Der Granatapfel (1950 – Auszug)

Rundbrief Nr. 149 – Im November 2019

Einladung

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser!

Die Stefan-Andres-Gesellschaft lädt ein zum diesjährigen Geselligen Abend

                                                       „Literatur und Weinkultur“

                                        für Samstag, den 30. November, 19.00 Uhr,

                                Seminarraum des Niederprümer Hofs in Schweich.

                                              „Wahre Freude ist eine ernste Sache“

                                              („Res severa verum gaudium“, Seneca)

ist das Thema, dem sich Andres selbst in seinem ähnlich betitelten Essay ausführlich zugewandt hat.

Zur Verlebendigung dieser Idee veranstalten die Rezitatoren R. Boesten, E. Cannivé-Boesten, M. Frede, P. Kruse und C. Schött szenische Lesungen der heiteren Andres-Erzählungen „Porzellantragödie“, „Die Tugend an sich im Küchengarten“ und „Die große Erfindung des Dom Perignon“.

Zum „verum gaudium“ tragen auch wieder die bekannten Autoren Horst Lachmund (Trier) und Emil Angel (Esch sur-Alzette/Lux.) bei mit dem Vortrag eigener Gestaltungen des Themas „res severa“.

Die Rezitationen werden begleitet von einer Weinprobe des Winzers Günter Gindorf vom gleichnamigen Weingut in Schweich.

Für die musikalische Untermalung sorgt in bewährter Weise das Duo UNO (Uschi Bös u. Norbert Olk).

Der Eintritt ist frei. Anmeldungen bitte bei: brumathfrz@aol.de – Tel.: 06502/937648   oder

                                                                              wokeil40@t-online.de – Tel.: 0651/67177.

                                                Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr Wolfgang Keil

Rundbrief Nr. 148 – Im Oktober 2019

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser!

„Stefan Andres. Betrachter seiner Zeit“ – so lautet der Eintrag im Vorleseverzeichnis der Universität Trier für das kommende Semester. Frau Dr. Claudia Seeling, Germanistin und Projektkoordinatorin, lädt Sie zu diesem besonderen Andres-Seminar ein:

Im WS 2019/20 findet im Rahmen des Campus der Generationen wieder ein Seminar zu Stefan Andres statt. Das vorausgegangene Seminar zu den Moselländischen Novellen stellt keine Voraussetzung für die Teilnahme an diesem Kurs dar. Die Kursleiterin freut sich über Personen, die gerne lesen, die sich mit anderen über das Gelesene austauschen wollen und Interesse daran haben, auch Einblicke in literaturwissenschaftliche Auseinandersetzungen mit Texten zu gewinnen. Im Mittelpunkt steht also das reflektierte Lesen, und zwar von Andres-Texten.

Unter folgendem Link können Sie sich dazu informieren: https://www.uni-trier.de/index.php?id=68686

Ende August wurde eine Stele (u. a. mit Andres-Text) anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Stefan-Andres-Gymnasiums (SAG) in Schweich eingeweiht. Das Foto im Anhang zeigt den Künstler Dieter Nusbaum vor seinem Werk im Foyer des SAG.

Die StAG freut sich über den Beitrag des Lauftreffs Schweich zur Wahrung der Erinnerung an Stefan Andres und sein Werk. Zum StA-Lauf im September heißt es in der Homepage des Lauftreffs:

Bei Kaiserwetter fand der 32. Stefan-Andres-Lauf in Schweich statt. Wir konnten 151 Läuferinnen und Läufer begrüßen. Das ist gegenüber dem letzten Jahr eine tolle Steigerung. Es wurde aber nicht nur gelaufen, denn der Lauf stand unter dem Motto „Hilfe für einen guten Zweck“. Die gesammelten Spenden sollten zugunsten der Villa Kunterbunt Trier gehen. Insgesamt kam die stattliche Summe von 1.000 € zusammen. Hierfür möchten wir uns bei allen Teilnehmern bedanken. – Der Lauftreff erhöhte diesen Betrag auf 1.400 €.

Erfreulich auch der Zuspruch, den mit über 50 Teilnehmern die LiteraTour der StAG an die Mittelmosel (Ediger, Traben-Trarbach, Bernkastel-Kues) gefunden hat. Das Ensemble aus Texten von Stefan Andres zu den dortigen Schauplätzen (incl. Mont Royal) konnte vornehmlich im Bus vorgetragen werden. Diese Rezitation (E. Cannivé-Boesten und Reinhard Boesten) wurde ergänzt durch Zitatbeiträge von H.-J. Ortheil, J. Wittenbecher, J. W. von Goethe und N. Scheuer sowie durch Informationen bzw. Vorträge in Ediger von Religionslehrer Matthias Arnold (St. Martin und Haus der Psalmen), in Traben-Trarbach (Mittelmosel-Museum) und von Rektor Leo Hofmann in Bernkastel-Kues (Cusanus-Stift). 

Im Namen der Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr Wolfgang Keil

Anhang: Foto der Stele

Rundbrief Nr. 147 – Im September 2019

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser!

Im Anhang finden Sie die Einladung der Stefan-Andres-Gesellschaft zu einer literarischen Moselfahrt am 1. Oktober dieses Jahres. Die Mosellandschaft mit ihren Orten und Weinbergen zwischen Bernkastel und Ediger wird vor allem mit Texten von Stefan Andres erschlossen und belebt werden.       

Hinweis:

Der „Lauftreff Schweich“ veranstaltet am 15. September den 32. Stefan-Andres- Freundschaftslauf. Wir freuen uns, dass der „Lauftreff“ den Traditionslauf von der „LG Mittelmosel Leiwen“ übernommen und schon im vorigen Jahr mit großem Erfolg durchgeführt hat. Laufbeginn ist um 10.00 Uhr am Niederprümer Hof.

Im Namen der Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr Wolfgang Keil

Anhang: Einladung zur Mosel-LiteraTour

Rundbrief Nr. 146 – Im August 2019

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser!

Während die Trauben allmählich der Lese entgegenreifen, soll Stefan Andres‘ mythisch überhöhtes Bild von Rebe und Wein in Erinnerung gebracht werden:

Im Weinbau betritt der Mensch die höchste Stufe der uralten und heiligen Bemühung des Landmanns, im Auftrage Gottes das verlorene Paradies an allen Ecken und Enden im Schweiße des Angesichts wiederzufinden. Denn von keinem noch so gelungenen Werke landwirtschaftlicher Kultur trifft uns der Anhauch paradiesischer Lebenslust so stark wie in einem vieltausendstöckigen und im Glanz der Ordnung und gewaltiger Arbeit daliegender Weinberg. Und das ist darum so, weil der Mensch hier mit aller Kunst und allem Eifer und aller Kraft ein Werk hervorbringt, das keiner Notwendigkeit des Leibes, sondern der Seele dient, welche des glücklichen Gartens der Freude bedarf.

(Stefan Andres: Der Süden im Norden, in: Die deutschen Lande, 1954)

Wenn man wissen möchte, wo und wie man das verlorene Paradies zurückgewinnt, so antwortet Stefan Andres:

Denk ich recht von Herzen an die Mosel, zieht sich der Himmel meiner Erinnerung zu, Nebel erfüllt das Tal und verbirgt wie mit einem liturgischen Schleier die Berge, die nun alle „dulces montes“ sind. An diesem Tag beginnt die Lese!“

(Stefan Andres: Die Mosel, 1968)

An die sog. Untere Mittelmosel wird die LiteraTour der Stefan-Andres-Gesellschaft am 1. Oktober gehen. Mit Andres-Werken werden wir uns nach Ediger – einem der besterhaltenen [Ortsbilder] an der Mosel (G. Dehio) – zum Kloster Stuben, nach Traben-Trarbach, auf den Mont Royal und nach Bernkastel-Kues bewegen.

Dabei trifft es sich, dass uns in Ediger der Erzähler aus Hanns-Josef Ortheils Reise-Collage „Die Moselreise. Roman eines Kindes“ (2010) gleichsam entgegenkommt, und zwar nicht zufällig mit seiner Andres-Reiselektüre „Der Knabe im Brunnen“. Und die Ruinen des Klosters Stuben wird man mit größerem Gewinn betrachten, wenn man die trockenen historischen Daten um die Darstellung des authentischen Frauenschicksals in Josefine Wittenbechers Roman „Die Frauen von Stuben“ (2007) ergänzt.

Eine Einladung mit genaueren Angaben erfolgt im nächsten Rundbrief.

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr

Wolfgang Keil

Rundbrief Nr. 145 – Im Juli 2019

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser!

Die Korrespondenz zwischen Stefan Andres und dem Hamburger Schriftstellerkollegen Erich Nossack enthält eine kuriose „Kaffee-Geschichte“. Zwischen Juli und September 1951, also drei Jahre nach Inkrafttreten des Marshallplans und der Währungsreform, entspinnt sich in vier Briefen eine Geschichte, die auf einen damals noch vorhandenen Mangel verweist, der sehr wohl mit Literatur bzw. dem Schreiben zu tun hat. Es geht um Kaffee, und zwar, wie Stefan Andres formuliert, um eine „Dosis“.

Man ist an die Dosis des Wiener Kaffeehausliteraten Alfred Polgar erinnert, der sein tägliches „Quantum Centralin“ im Café Central benötigte zur Förderung des Schaffensprozesses bzw. – wie Gottfried Benn in „Provoziertes Leben“ diagnostiziert – zur „Steigerung der formal-ästhetischen Funktionen“.

Die „Kaffee-Geschichte“ beginnt mit dem Brief vom 21. Juli 1951, in dem Andres schreibt:

Kurz und offen, hoffentlich sind Sie nicht schockiert über meine Kühnheit: Könnten Sie mir gelegentlich meine Dosis Kaffee, die ich wie Arbeit brauche, zum […?] Großhandelspreis zukommen lassen. Bei diesen mörderischen Kaffeepreisen wäre mir das eine wirkliche Hilfe.

Prompt antwortet Nossack (30. Juli):

Ich will auch sehen, ob meine Frau und ich in Wiesbaden „schwarzen“ Kaffee kaufen können. Das pflegen wir immer zu tun, wenn wir in Süddeutschland, d.h. in der amerik. Zone sind.

Und wieder (13.August), nachdem man sich in Unkel persönlich begegnet ist:

Lieber Stefan Andres, wir haben ganz vergessen, über das Thema „Kaffee“ zu sprechen. Das lag wohl an meiner Übermüdung, verzeihen Sie bitte. Wir haben diesmal keinen „schwarzen“ Kaffee in Süddeutschland gekauft, da die Gangster dem Zuge der Zeit gefolgt waren und den Preis erhöht hatten. Sie forderten für die Dose Lyon’s (450 Gramm) ca. DM 10,50, während wir im Frühjahr 8,- dafür bezahlten. Zu DM 10,50 lohnt sich das Zeug nicht, so berückend ist die Qualität nicht. Was uns angeht: Die väterliche Firma sitzt hier im Freihafen und importiert nur Rohkaffee im Großen. Einzelversand darf sie nicht machen, es gibt da solche Vereinbarungen. Das Pfund Rohkaffee billigster Qualität kostet ca. DM 4,-, die Sorten, die wir lieber trinken, ca. 5,-. Dazu kommt DM 6,- Steuer und Zoll, macht rund DM 11,- für das verzollte Pfund Rohkaffee. Der Röstverlust ist ca. 20%, sodass …

Es folgt eine halbe Seite detailliertester Kostenberechnung mit negativem Ergebnis, sodass Andres in seinem Brief vom 3. September seine Bitte zurücknimmt:

Lieber Hans Erich Nossack, haben Sie vielen herzlichen Dank für Ihren langen Brief, in dem mir die große Höflichkeit wohltat, mit der Sie mir die Kaffeegeschichte auseinandersetzten. Ich sehe ein, dass Sie Recht haben. Ich werde mir also wahrscheinlich den Kaffee aus dem Ausland kommen lassen. Leider war Ihr Aufenthalt sehr kurz, das nächste Mal bleiben Sie ein wenig länger.

Die Zitate sind entnommen dem Editionsband „Briefe von und an Stefan Andres 1930-1970. Auswahl“. Herausgegeben und kommentiert von Günther Nicolin und Georg Guntermann. Wallstein Verlag, Göttingen 2018. (Mitglieder können den Band bei der StAG erwerben zum Preis von 25 €.)

Für die Stefan-Andres Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr Wolfgang Keil

Rundbrief Nr. 143 – Im Mai 2019

Sehr geehrte Damen und Herren. liebe Leserinnen und Leser!

In seiner heiter-ernsten Legende „Vom heiligen Pfäfflein Domenico“ (1936) verwendet Stefan Andres den Topos vom schlichten Christen, der sein echtes Christentum lebt, als Instrument der Kritik. Er verfährt damit wie Walther von der Vogelweide, der im „Reichston“ (um 1200) einen einfachen Klausner über die politischen Widrigkeiten seiner Zeit klagen lässt: „… hilf herre, diner kristenheit!“ Walther wiederholt diese Klagegeste im „Unmutston“ („… min guoter klosenaere klage“) und „Kaiser Friedrichs-Ton“. – Auch Andres stattet weitere rangniedrige Repräsentanten des Christentums mit den Eigenschaften echter Menschlichkeit aus: Don Eufemio („Das goldene Gitter“, 1943) und Don Evaristo („Das Tier aus der Tiefe“, 1949). – Und so schildert Stefan Andres Don Domenicos Berufung zum Festprediger:

Am Himmelfahrtstag des Herrn, als die Glocken im Dom von Poseidonia zum Hochamt läuteten, lief der Küster, vom hageren Don Beppo geschickt, in die Schenke des Peppino hinauf, wo er Don Domenico mit Bestimmtheit anzutreffen wusste. Der lag denn auch dort in der Schenke auf einer Bank und schnarchte, ermüdet von seiner bereits zelebrierten Frühmesse und vom Wein ein wenig benommen. Und als ihn der Küster mit heftigem Rütteln aufweckte und ihm zurief: „He, Don Domenico, kommt sofort zum Dom herunter, der Don Beppo hat seine Predigt vergessen!“, da erhob sich Don Domenico alsbald und ging mit dem Küster fort, über welche Bereitwilligkeit die Anwesenden in großes Lob ausbrachen und sagten: „Ja, der Don Domenico ist wahrhaftig das Muster eines Priesters, ob’s der Prälat Don Beppo glauben will oder nicht!“ Es war nämlich männiglich bekannt, dass Don Domenico in dem Maße, als ihn die einfachen Leute von Poseidonia liebten, bei seinen Oberen missliebig war, eben weil sie eifersüchtig waren auf die Liebe und Verehrung, die er genoss.

Die Schilderung vom Traum der eigenen Himmelfahrt und der Ankunft in einem himmlischen Poseidonia gibt dem Prediger die Möglichkeit, einige Dinge im realen Poseidonia zurechtzurücken, und zwar ganz  der christlichen Maxime folgend, dass das Niedrige erhöht werde …

Der Herr aber ließ einige himmlische Karabinieri kommen, die eine Musterung unter den Fremden auf der Piazza hielten. Und alle, die ein wenig nach Wein dufteten, Fischerhosen und Sandalen trugen oder doch nicht mehr als zwei mittlere Koffer mitgebracht hatte, durften bleiben, die anderen mussten ihr Gepäck holen und wurden in ein Boot gesetzt, das sie wieder zur Erde hinüberschiffte. Nach dieser Unterbrechung, die aber über die Maßen kurzweilig war, bewegte sich die Prozession die Domstufen hinauf. Da saß unsere gute, alte Theresa und trank durch ihre Hasenscharte die Sonne ein, hatte die Augen halb geschlossen und träumte vom Paradies. Vom fröhlichen Getümmel und Gejauchze geweckt, erblickte sie plötzlich unseren schönen Herrn, verdeckte mit der Hand ihre Hasenscharte und wollte entweichen, wurde aber von den Aposteln am Rockzipfel gehascht und vor den Herrn gebracht. „Ei, Theresa“, sprach er, „fortlaufen willst du vor mir und hast dein Leben lang nach mir gerufen?“ und er machte sie zu seiner Türhüterin; am Eingang seines Palazzo durfte sie wegen ihrer Treue als das Hündlein des Herrn in der Sonne liegen und achtgeben, wer da komme und gehe.

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr Wolfgang Keil

Rundbrief Nr. 142 – Im April 2019

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser!

In ihren Erinnerungen „‘Carpe Diem!‘ Mein Leben mit Stefan Andres“ (Bonn 2009) schildert Dorothee Andres einen bemerkenswerten kaiserlichen Schenkungsakt.

Dort findet sich unter dem Jahr „1956“ der folgende Eintrag:

Eines Morgens erreichte uns ein Telegramm von Kaiser Haile Selassie, den Stefan Andres auf dem Empfang in Brühl gegen jede Etikette angesprochen hatte, woraus sich damals eine kurze Unterhaltung ergab. Es lautete: „Stefan Andres Unkel = Im allerhöchsten Auftrag seiner Majestät des Kaisers von Äthiopien und Löwen von Juda habe ich die Ehre, Ihnen mitzuteilen, dass eine Insel im Hoheitsgebiet unseres Landes Ihnen zu Ehren den Namen Utopia erhalten hat = BEN DISA BEBA Botschafter+“

Bald folgte ein zweites Telegramm: „Ernenne Sie zum Ehrenbürgermeister von Utopia und freue mich auf einen Wochenendbesuch Ihrer Familie = IHR HAILE“. Mittags kam dann ein letztes: „Utopia leider am 1. April in den Fluten versunken. Bitte weiter dichten = DIE UTOPIER+“ Wir wussten natürlich, unser Freund Albert hatte uns auch in diesem Jahr zum ersten April nicht vergessen.

Anlass war ein Ereignis aus dem Jahr „1954“:

Der abessinische Kaiser Haile Selassie war auf Staatsbesuch in Bonn eingetroffen. Es gab einen Empfang auf Schloss Brühl. Gut, dass wir unser Hausmädchen die Fahrprüfung machen ließen, mein bodenlanges Kleid mit über 7 Meter Saumumfang, was vorgeschrieben war, war nicht zum Steuern geeignet. Ingrid war der einzige weibliche Chauffeur dort. Zur Vorstellung bei der kaiserlichen Hoheit standen die Geladenen paarweise im großen Saal, ein Herold meldete laut die Namen, und man durfte das zarte braune Händchen ergreifen. Diese wortlose Begrüßung fand Andres stur und sagte strahlend „Guten Abend, Majestät“. Darauf auf Englisch die freundliche Frage: „Name? Beruf?“ – und ein bewunderndes „Ah, a writer, good luck!“. Hinterher rügte das Protokoll des Auswärtigen Amtes Andres heftig. Man habe nicht zuerst das Wort zu ergreifen, sondern müsse warten, bis man angesprochen werde.

Im Namen der Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr Wolfgang Keil