Rundbrief Nr. 225 – Im Mai 2025

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Leserinnen und Leser!

Die Impression „Das Fest der Fischer“ wurde, wie Dieter Richter, der Herausgeber des Editions-Bandes „Terrassen im Licht. Italienische Erzählungen“, anmerkt, 1938 von Stefan Andres verfasst. Die Schilderung einer Prozession erschien als eigenständiges Werk, wurde aber auch mit ihrer ganzen Aussagekraft von Andres in den Roman „Der Mann von Asteri (1939) integriert. Sie dient dort zur Verstärkung des Lokalkolorits und zur Illustrierung der Mentalität des Schauplatzes Città morta, zu dem der Schriftsteller das heute mondäne Bergstädtchen Positano im Roman umgewidmet hat.

Dort beginnt die Schilderung mit der Benennung des heidnisch anmutenden christlichen Festes: „Am folgenden Tag, am ersten Mai, feierte die Stadt Città morta die Eröffnung des Meeres.“ Die Magna Mater des Diesseits und die Stella Maris des Jenseits begegnen und versöhnen sich zum Wohl des Menschen in einem symbolischen Beschwörungsakt.

Als Stefan Andres !964 seinen ehemaligen Zufluchtsort erneut besucht, wird dort eine Filmsequenz zu Der Schriftsteller Stefan Andres. Stationen seines Lebens und Schaffens gedreht, die das Prozessionsritual ausführlich dokumentiert. Die Sequenz umfasst alle Komponenten eines kultischen Umzugs: die lokale, der Weg vom Dom zum Meer, die zeitliche, der Roman gibt den 1. Mai als Festtag an, die lautliche, man hört Kirchengesang, Glockengeläut und Böllerschüsse, die visuelle, im Zentrum der Prozession erscheint das feierlich getragene Altarbild der Madonna, und die soziale Komponente, dem hierarchisch geordneten Pilgerzug folgt ein lockeres Gedränge.

Im Film kommentiert der Schriftsteller das kultische Geschehen im O-Ton mit Erleichterung: „Ja, nichts hat sich geändert. Genau so steht’s in meinem Mann von Asteri beschrieben.“

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr

Wolfgang Keil

Anhang: Rundbrief Nr. 225