Rundbrief Nr. 211 – Im April 2024

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Leserinnen und Leser!

Passend zur hundertsten Wiederkehr des Todesjahres von Franz Kafka beinhaltete das Abitur-Thema am Stefan-Andres-Gymnasium Schweich die Bearbeitung eines Prosatextes des berühmten Prager Schriftstellers. Diesem günstigen Umstand will der folgende Kommentar zur Verleihung des StA-Abitur-Preises Rechnung tragen, indem er das literarische Verhältnis von Stefan Andres zu Franz Kafka skizziert:

Zum sechsten Mal konnte 2024 der StA-Preis für die beste Abiturarbeit im Fach Deutsch am Stefan-Andres-Gymnasium vergeben werden. Die diesjährige Preisträgerin ist Anastasia Pauly. Sie hat die von dem betreuenden Fachlehrer Jan Weis gestellte Aufgabe zu Franz Kafkas Prosatext „Der Fürsprecher“ (1936) in überzeugender Weise erfüllt.

Kafkas Denkbild erweist sich als typisch für die juristisch-prozessual gestaltete Weltsicht des Prager Autors, indem es „Anklage, Fürspruch und Urteil“ dem allgegenwärtigen inhaltsleeren „Dröhnen“ des kollektiven Gesetzes im „Gerichtsgebäude“ zuweist, die Suche nach einer Verteidigung des eigenen Lebenskonzepts durch eine Intervention von außen, die nur – wie die „alten Frauen“ – „Mauer“ sein kann, aber schließlich aufgibt zugunsten eines notwendigen individuellen Weges.

Mit der Abwesenheit der verteidigenden „Fürsprecher“ entfällt auch die Bedrängung durch die Schuld suggerierenden tierhaften Ankläger. Indem der Protagonist seine klagend-anklagende Haltung aufgibt, verpflichtet er sich zu einem selbstverantwortlichen Handeln. Dementsprechend macht er sein Leben zur „Treppe“, deren Stufen „unter den steigenden Füßen“ unaufhörlich wachsen und so buchstäblich dafür sorgen, dass der Steigende in einem endlos weltschaffenden Schritt den Boden nicht unter den Füßen verliert.

Ein Zurück oder Hinab kommt nicht mehr infrage, da die unsichere Wahrnehmungskategorie Raum durch diejenige der drängenden Zeit ersetzt wird. Diese bewirkt eine einsinnige Ausrichtung – trassiert als Ausweg ohne erkennbares Ziel. 

Anders als die ebenfalls zum selbständigen Handeln auffordernde Kafka-Parabel „Ein Kommentar“ endet der Prosatext „Der Fürsprecher“ also nicht in einem handlungsdemontierenden „Gibs auf, gibs auf“, sondern in der psychologisch motivierten Richtungsvorgabe „aufwärts“. 

Es ist denkbar, dass der mit Franz Kafka vertraute Stefan Andres – in seinen Roman „Die Dumme“ integriert er sogar eine Kafka-Parabel – von der Erzählung des berühmten Prager Schriftstellers angeregt wurde, denn die Andres-Anekdote „Der siebente Paragraph“, ein Jahr nach dem Kafka-Denkbild veröffentlicht, handelt ebenfalls von einem „Fürsprecher“.

Der Verdacht der Anregung durch Franz Kafka wird durch die Tatsache verstärkt, dass Stefan Andres seine Gerichtsanekdote in der Hauptsache „im alten Rathaus“ von Prag spielen lässt – realiter kaum hundert Schritt entfernt vom Geburtshaus des „Franze Kafky“.

Stefan Andres: „Der siebente Paragraph. Anekdote“. In: Erzählungen – Anekdoten – Denkbilder. Schriftenreihe der StA-Gesellschaft, Heft Nr. 8. Schweich 2022.

Rundbrief Nr. 210 –  Im  März 2024

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Leserinnen und Leser!

Tiefer Schmerz spricht aus den Sonetten, die Stefan Andres in dem Zyklus „Requiem für ein Kind“ an seine im Alter von neun Jahren verstorbene Tochter Mechthild richtet.

Das Sonett XXI aber ist der poetische Versuch, den Tod zu überwinden und Auferstehung zu feiern. Es verdient in seiner Verschmelzung von Immanenz und Transzendenz erneut gelesen zu werden.

Am Ostermorgen wars, ich sah gen Osten

Und wartete wie alles: Meer und Baum,

Die Wellen sprachen halb noch wie im Traum,

Des Lichtes junge Triebe leise sprossten.

Da stieg vom Hügel, der dem Blick sonst wehrte

Ins Licht so manches Mal, der Lerche Sang,

Wie Ankerlichten klangs, so süß und bang,

Doch ich war traurig, da das Licht sich mehrte.

Der Frauen dacht‘ ich, die zum Grabe liefen

Und ging zum Hügel hin, doch nicht geschwind.

Da wars: die Lerchen hoch wie Engel riefen!

Ich blickt empor und sahs: als eine Blüte

Die Sonne stand, dein Grab inmitten, Kind!

Ein Ostermorgen wars – voll Licht und Güte!

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft

mit den besten Wünschen zum Osterfest

Ihr

Wolfgang Keil

Anhang: Mitgliederversammlung u. Präsidentschaft

Rundbrief Nr. 208 – Im Januar 2024

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Leserinnen und Leser!

Der am 11. Januar 1947 im „Badener Tagblatt“ erschienene Artikel „Stefan Andres. Der moselländische Dichter“ ist das Elogium eines Journalisten auf den von ihm geschätzten Schriftsteller, den er in Venedig als Mensch und Freund erlebte. (Anhang) Andres machte für eine kleine Gruppe den ortskundigen Cicerone in der Lagunenstadt, die ihm seit seinem Aufenthalt während der Biennale im Herbst 1941 vertraut war.

Damals kam es in der Serenissima zu einem Zwischenfall, dessen bedrohliche Auswirkung Andres über Jahre hinweg fürchten musste. Er hatte sich in Anwesenheit eines Vertreters des Propagandaministeriums angesichts des deutschen Angriffs auf Leningrad zu der brisanten prophetischen Äußerung hinreißen lassen, die uns von Dorothee Andres in ihrem Erinnerungsbuch „Carpe Diem“ mit den folgenden Worten überliefert ist: „Bekanntlich bleibe kein Stein, den man gegen den Himmel werfe, in der Luft, sondern fiele naturgemäß zur Erde zurück. Und so würden eines Tages mit Gewissheit alle Bomben , die jetzt gerade in Russland auf Frauen und Kinder fielen, zurückfallen auf die deutschen Frauen und Kinder.“

Wie sehr Andres damals unter der Gefahr der drohenden Verhaftung litt, wird daran deutlich, dass er dem intriganten Zuträger des Propagandaministeriums noch nach Kriegsende einen eigenen fiktionalen Brief widmete mit der Apostrophierung: „… an Sie, den gehobenen Denunzianten …“. (Süddeutsche Zeitung vom 15. August 1946) – Vor diesem Hintergrund gewinnt die lakonische Bemerkung des Tagblatt-Journalisten an Gewicht: „Er mochte die Nazis nun einmal nicht!“

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr

Wolfgang Keil

Anhang: Rundbrief Nr. 208

Rundbrief Nr. 206 – Im November 2023 (2)

                                                                                                                                                                        

Einladung

Die Stefan-Andres-Gesellschaft lädt ein zum diesjährigen Geselligen Abend

„Literatur und Weinkultur“

für Samstag, den 2. Dezember, 19.00 Uhr,

Seminarraum des Niederprümer Hofs in Schweich.

„Nicht nur im Wein ist Wahrheit“

lautet das Thema, das Stefan Andres in mannigfaltigen ernsten und heiteren Varianten bearbeitet.

In einem Essay verdeutlicht Andres, dass der Schriftsteller es vermeiden muss, „programmatische Wahrheit zur Schau zu stellen“, in der Absicht „die Welt durch sein Werk zu verändern“. Vielmehr sollte er einen „Zustand der aktiven Meditation“ intendieren, „aus dem der Gestalter und der das Werk erlebende Geist geformter, geläuterter und heiterer oder doch gefasster hervorgehen“. (Schwierigkeiten, heute die Wahrheit zu schreiben, 1964)

In szenischen Lesungen der Rezitatoren (E. Cannivé-Boesten, E. Lauströer, C. Schött, M. Frede, P. Kruse) wird sich zeigen, wie zurückhaltend und sorgfältig verhüllt Stefan Andres „seine Wahrheit“ vermittelt in den Erzählungen Ein Missverständnis, Der König im Gedränge, Die alte Babe.

Horst Lachmund (Trier) und Emil Angel (Mondercange, Lux.) werden sich in selbstverfassten Beiträgen dem Thema annähern.

Zuvor wird ihnen für ihre Verdienste um das Werk von Stefan Andres die Ehrenmitgliedschaft der Stefan-Andres-Gesellschaft verliehen.

Die Lesungen sind eingebettet in eine Weinprobe des Schweicher Winzers Gerd Rohr vom Weingut Masteiner Hof. – Für die musikalische Untermalung wird Norbert Olk sorgen.

Der Eintritt ist frei. Bitte um Anmeldung bei:

andrekastner60@gmail.com – Tel.: 06502/937648

wokeil40@t-online.de – Tel.: 0651/67177.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr Wolfgang Keil

Rundbrief Nr. 204 – Im Oktober 2023

 Stefan-Andres-Gesellschaft                               1. Oktober 2023

Einladung zur Mitgliederversammlung der Stefan-Andres-Gesellschaft e.V.                                                                                                                              

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir laden Sie herzlich ein zur  

Mitgliederversammlung

                                                           mit Neuwahl des Vorstandes

am 28. Oktober (Sa), um 15.00 Uhr, im Niederprümer Hof, Schweich.

Tagesordnung:

1   Begrüßung

2   Tätigkeits- und Archivbericht

3   Finanz- und Kassenprüfungsbericht

4   Aussprache

5   Entlastung des Vorstandes

6   Neuwahl des Vorstandes

7   Verschiedenes

Lesung aus Werken von Stefan Andres

Wenn Sie am gemeinsamen Abendessen im Hotel zur Linde in Longuich teilnehmen möchten, lassen Sie uns das bitte wissen bis zum 15. Oktober.

Kontakt: Wolfgang Keil, Tel. 0651/67177, wokeil40@t-online.de

André Kastner, Tel. 06502/937648, andrekastner60@gmail.com

                          Gäste sind willkommen. – Wir freuen uns auf Ihr Erscheinen!

gez. Wolfgang Keil                                                                    gez. Elisabeth Cannivé-Boesten

Rundbrief Nr. 202 – Im August 2023

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Leserinnen und Leser!

Der luxemburgische Schriftsteller Emil Angel erhält in diesem Jahr den Stefan-Andres-Preis der Stadt Schweich für seine meist zweisprachigen (lëtzebuergesch/deutsch) literarischen Arbeiten in der Form von Romanen, Erzählungen, Glossen, Reiseberichten etc.

   In dem Erzählband „… ihr Bilder, die längst ich vergessen geglaubt!“ Eine Kindheit im Luxemburg der Nachkriegszeit.“ entfaltet Emil Angel ein literarisches Alltagspanorama in einem Episodenreigen, der den Vergleich mit Stefan Andres‘ Erinnerungsroman „Der Knabe im Brunnen“ nahelegt.

    Aktuelle Alltagseindrücke verarbeitet Emil Angel in seinen zahlreichen zweisprachigen Glossen. Deren Pointen sind in ihrer geschliffenen Spitzigkeit und listigen Krümmung so typisch für den Autor Angel, dass man sie füglich als Angel-Haken bezeichnen könnte.

   Dafür im Anhang ein Beispiel mit dem Hebriden-Schauplatz Uig.

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr

Wolfgang Keil

PS.: Zeit und Ort der Preisverleihungsfeier werden noch bekanntgegeben.

Anhang: Rundbrief Nr. 202