Rundbrief Nr. 174 – Im August 2021

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Leserinnen und Leser!

Nicht nur im ewigen und aktuellen Afghanistan begegnen sich Stefan Andres und Norbert Scheuer (Rundbrief Juli) mit ihren Werken, sondern auch im Trierer Dom – möglicherweise sogar auf ein und derselben Bank. Dabei versetzen die beiden Schriftsteller ihre jeweiligen Protagonisten in völlig verschiedene Lebensumstände und Situationen, bei Stefan Andres geprägt von feierlicher Erhabenheit und von erbarmenswürdiger Hilflosigkeit bei Scheuer.

In dem Erinnerungsroman „Der Knabe im Brunnen“ von Stefan Andres, macht der kleine Steff mit seiner Mutter einen Beichtbesuch im Trierer Dom. Während sie dort in einer Seitenkapelle gemeinsam ihre Butterbrote verzehren, reift in dem Siebenjährigen der Entschluss, das Amt des Weihbischofs, das er mittlerweile höher schätzt als das eines Bischofs, anzustreben und diesem Vorhaben seine Freundin Kätta zu opfern. In dieser Absicht findet er sich durch die Kirchlichkeit und Frömmigkeit der Atmosphäre bestärkt:

Die Heiligen auf den Altären hatten einen Ausdruck in den Augen, der dieser Weihrauchluft entsprach. Sie sagten: ‚Was ist Kätta im Vergleich zu uns! Das einzig Wertvolle am Menschen ist seine unsterbliche Seele.‘ Das hatte ich nun gelernt! Sogar der Kaiser Konstantin, der in diesem Hause einmal lebte bei seiner Heiligen Mutter Helena, – sein Wert bestand nur darin, dass er ein Mensch war, eine Seele hatte und sich taufen ließ. Daran gab es keinen Zweifel, obwohl es der Kaplan war, der uns das gelehrt hatte. Meine Gedanken waren von Kätta zur heiligen Helena und ihrem Sohn abgeirrt. Ich kaute mein Butterbrot und dachte an diese beiden, die auch einmal vor vielen hundert Jahren hier nebeneinandergesessen und ihr Brot verzehrt hatten. Nun waren sie in der Ewigkeit!

Zumindest ein Rest kirchlicher Frömmigkeit teilt sich dem Jugendlichen Rosarius Delamot, Protagonist des Romans „Peehs Liebe“ von Norbert Scheuer, an dem erwähnten Ort mit. Er ist aus einem Erziehungsheim im Norden Deutschlands geflüchtet, um nach Hause, nach Kall in der Eifel, zurück zu gelangen. Nach einem schier endlosen Zickzackkurs, der ihn ohne Fahrschein in immer wieder anderen Zügen durch Deutschland verschlägt, landet der völlig Verwahrloste schließlich in Trier und dann auch im ehrwürdigen Dom:

Der Kontrolleur warf mich am nächsten Bahnhof hinaus, gab mir einen Tritt in den Hintern. Ich lief vom Bahnhof in die Stadt. Sie kam mir bekannt vor, ich hatte hier mit Kathy Werbekarten verteilt. Es war August, überall wimmelte es von Touristen und Pilgern. Der Heilige Rock wurde im Dom in einem luftdichten Glasschrein ausgestellt. Ich war müde und blieb auf einer Kirchenbank hocken. Vor mir auf der Bank knieten Leute, die flüsternd beteten. Es kam mir vor, als würden sie ein schönes Lied singen, das mich an zu Hause erinnerte.

Als die Leute den Dom verließen, lief ich hinter ihnen her zum Bahnhof und stieg mit ihnen in einen Regionalzug.        

Stefan Andres: Der Knabe im Brunnen. Roman. Hg. Chr. Basten u. H. Erschens. Göttingen 2011.

Norbert Scheuer: Peehs Liebe. Roman. München 2012.

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr

Wolfgang Keil

Rundbrief Nr. 173 – Im Juli 2021

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Leserinnen und Leser!

Wenn Norbert Scheuer – wie wir hoffen – zur öffentlichen Verleihung des „Stefan-Andres-Preises für Literatur deutscher Sprache“ im September in Schweich erscheint, dann kommt es zu einer geistigen Begegnung zweier bedeutender Schriftsteller auf einem Boden, den man als Andres-Land bezeichnen kann.  Dabei ist es gut zu wissen, dass sich die beiden Schriftsteller schon früher einmal auf literarisch-imaginäre Weise begegnet sind – am Hindukusch im fernen Afghanistan.

In dieses sagenhafte Land führt uns der Reisebericht „Bei den Barfüßern am Hindukusch“, den Stefan Andres nach seiner Asienreise 1968 verfasst hat. Besonders angetan zeigt er sich von der Freundlichkeit und Bedürfnislosigkeit der Menschen am Hindukusch, denen die Wärme der Frühjahrssonne und der Gesang eines Vogels zum Wohlbefinden genügen:

„Dieses kerngesunde, rauhe, aber im Grunde gutmütige Gebirgsvolk kann an Anspruchslosigkeit kaum übertroffen werden. Wenn der Schnee geschmolzen ist oder sich nur irgendwo eine besonnte Hauswand zeigt, nimmt der Afghane nach getaner Arbeit gern seinen Vogelbauer, stellt ihn – wie die Leute bei uns ihren Transistor! – neben sich in die Sonne und hört dem Vogel zu.“

Stefan Andres: Bei den Barfüßern am Hindukusch. Mitteilungen der StAG XIX/1998.

In Norbert Scheuers Roman „Die Sprache der Vögel“ ist der Protagonist Paul Arimond wie sein Urahn Ambrosius Arimond fasziniert vom Artenreichtum der Vogelwelt Afghanistans und von der Schönheit und universalen Kommunikationsweise der Vögel. Deshalb versucht er, ihnen unter Einsatz seines Lebens im militärischen Sperrgebiet näherkommen. Er möchte ihre Sprache erlernen und ihre Lebensweise verstehen – und vielleicht noch etwas mehr:

„Ich weiß nicht, was an diesen Geschichten wahr ist, ob Vater selbst daran geglaubt hat. Jedenfalls liebte er es, uns davon zu erzählen. Hinter dem Hindukusch sei das Land der Vögel, sagte er, es gebe dort vielleicht mehr Vogelarten als in ganz Europa, ja in der ganzen westlichen Welt, das liege am einzigartigen Blau des Himmels.“

„Irgendetwas existiert im Leben, das mehr ist als wir selbst und für das es keine Sprache gibt. Vielleicht liegt darin der Grund, dass Vögel singen.“

Norbert Scheuer: Die Sprache der Vögel. München 2015.

      Davon mehr bei der Preisverleihung, die hoffentlich im September stattfinden kann!

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr

Wolfgang Keil

Rundbrief Nr. 172 – Im Juni 2021

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Leserinnen und Leser!

Wenige Tage vor dem Geburtstag von Stefan Andres könnte auch die Protagonistin seines Romans „Die Hochzeit der Feinde“ (1947) ihr Wiegenfest feiern.

Es geschieht wohl selten, dass in einem nicht-dokumentarischen Roman ein durch Jahreszahl historisch verankertes Kalenderdatum genannt wird: Die Protagonistin Luise wird „am 14. Juni 1924“ achtzehn Jahre alt. Sie ist also wie Stefan Andres im Jahr 1906 zur – allerdings fiktionalen – Welt gekommen, und zwar nur wenige Tage vor dem am 26. Juni geborenen Verfasser des Romans. (Anhang)

Über die Bedeutung dieser zeitlichen Annäherung der Biographien von Romanverfasser und Romanfigur darf man spekulieren. Sicherlich geht es bei der Altersdatierung nicht vorrangig um die Frage der Volljährigkeit im Sinne des BGB-Paragraphen oder um die dort eigens angeführte „Ehemündigkeit“ – es liegt jedoch nahe, dass der Autor, der sich auch sonst weitgehend mit seiner Romanfigur identifiziert, ein Signal senden möchte, das aufmerksam macht auf die Überwindung der Jugendkrise in der Adoleszenz, auf den Lebensabschnitt also, den er selbst als ein Ringen um die Richtung seines Lebens erfahren hat. 

In diesem Stadium der Orientierung trifft die Romanfigur Luise eine Entscheidung, die als Ausdruck eines gefestigten Selbstwertgefühls ihren Lebensplan bestimmen wird. Ihre Entscheidung basiert auf einem Grad von Autonomie, den auch der Autor als die conditio sine qua non seiner eigenen Existenz erachtete. 

Wie bedeutsam diese Vorstellung von Freiheit und Selbstbestimmung für Stefan Andres war, wird auch ablesbar an dem Umstand, dass er zu Luises Streben nach Eigenständigkeit und Selbstverantwortung eine auffällige Parallele schafft in dem Verhalten der jugendlichen Protagonistin seines Romans „Die Liebesschaukel“ von 1951. (Anhang)

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr

Wolfgang Keil 

Anhang Rundbrief Nr. 172

Rundbrief Nr. 171 – Im Mai 2021

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Leserinnen und Leser!

In seinem Roman „Die Hochzeit der Feinde“ (1947) versieht Stefan Andres die sog. Mattheiser Madonna mit einer besonderen literarischen Rolle. Seine Poetisierung der vor allem im Katholizismus gepflegten Marienverehrung lässt sich zurückverfolgen bis zu seinem Erstlingswerk „Das Märchen im Liebfrauen-Dom“ von 1927.

Ähnlich wie dort ist auch die Begegnung Luises, der hugenottischen Protagonistin des Romans, mit der Madonna – der „Frau Maria“ und „Maienkönigin“ – getragen von menschlichem Empfinden und Verstehen. (Anhang)

Mit feinsinniger Feder zeichnet Stefan Andres die Figur, die aus dem Bild der Mattheiser Madonna heraus spricht, und macht so aus der sakralen Ikone eine Gesprächspartnerin, eine Freundin und schließlich eine sehr irdische Mutter, der Luise später sogar ihr Liebesleid vorträgt.

Zu diesem Zweck liest sie der „kindlich vornehmen Frau“ den Brief François Frécourts vor. Es geht um die Entscheidung, ob sie ihn doch noch ehelichen kann, ob sie also künftig Madame Frécourt sein wird oder ob sie als Schwester Luise ihr Dasein in einem Kindergarten fristen muss.

Sie erhält auf ihre Frage, was Maria gegen einen briefeschreibenden Schwiegersohn wie Frécourt einwenden könne, von der himmlischen „Frau Maria“ eine wortlose, aber vielsagende Antwort, denn diese lächelt, „wie gute Mütter lächeln, wenn sie gegen die Argumente ihres Kindes nichts einwenden können und doch nicht ganz damit einverstanden sind“.

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr

Wolfgang Keil

Anhang: Auszug aus dem Roman „Die Hochzeit der Feinde“.

Rundbrief Nr. 169 – Im März (2) 2021

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Leserinnen und Leser!

Der 20. März 2021 ist ein Tag, an dem Andres-Leserinnen und -Leser innehalten sollten: An diesem Tag vor 90 Jahren kam es für Stefan Andres zu einer wichtigen Entscheidung.

Im März 1931 – Stefan Andres hatte gerade seine zukünftige Frau kennengelernt – erfolgte die Weichenstellung des Studenten in Richtung freier Schriftsteller. Und nicht zufällig wirkten familiale und berufliche Entwicklung zusammen. So erfahren wir von Dorothee Andres (Geburtstag am 26. März) in ihren Erinnerungen „‚Carpe Diem!‘ Mein Leben mit Stefan Andres“ unter dem Eintrag „1931“, wie sie als junge Medizinstudentin entschlossen und mutig zu dieser beruflichen Weichenstellung beigetragen hat:

Er hatte mir berichtet, dass sein Romanmanuskript seit sechs Wochen beim Diederichs-Verlag liege, er habe aber noch nichts darüber gehört. Es war der „Bruder Luzifer“, konzipiert nach seinem Noviziat bei den Kapuzinern. So machte ich mich auf den Weg und bat um ein Gespräch mit dem Verleger. Man amüsierte sich über diese Kühnheit einer kleinen Studentin, immerhin wurde das Buch geprüft und eine Veröffentlichung in Aussicht gestellt.

Den Mut zum Schritt aus dem Studium in die risikohafte Schriftstellerlaufbahn schöpfte Stefan Andres nicht zuletzt aus dem Urteil des Herausgebers der anspruchsvollen Monatszeitschrift „Hochland“, Carl Muth. Auf dessen Hilfe nimmt Dorothee Andres im Rückblick auf das Jahr 1931 Bezug:

Nun besuchten wir Carl Muth, den Herausgeber des „Hochland“, einer modernen katholischen Zeitschrift, die schon einige Beiträge von Andres veröffentlicht hatte. Er war es gewesen, der dem jungen Andres Mut gemacht hatte, ohne „Brotberuf“ Schriftsteller zu werden.

Am 20. März 1931 nun nahm Stefan Andres selbst den Kontakt zu Carl Muth auf und bat den renommierten Literaturkenner und -förderer um fachlichen Rat und Unterstützung. (Brief im Anhang)

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr

Wolfgang Keil

Anhang: Briefauszüge

Zitiert nach: „‚Carpe Diem!‘ Mein Leben mit Stefan Andres“. Mit einem Vorwort von Christopher Andres und Michael Braun. Bonn 2009.

Rundbrief Nr. 168 – Im März 2021

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Leserinnen und Leser!

Der vom Kampf mit dem Schicksal handelnde Andres-Roman „Die Hochzeit der Feinde“ (1947) hat selbst ein bewegtes eigenes Schicksal. Wie die Frau des Schriftstellers, Dorothee Andres, in ihren Erinnerungen „‚Carpe Diem!‘ Mein Leben mit Stefan Andres“, in 23 Einträgen zwischen 1939 und 1960 berichtet, geht sein Weg vom Veröffentlichungsverbot bis zur Erwägung der Verfilmung des für die deutsch-französische Aussöhnung richtungsweisenden Romans. Es hätte auch zu einer Übersetzung in das thematisch geforderte Französisch kommen können, wenn Stefan Andres nicht einen dafür zuständigen literarischen Agenten zurückgewiesen hätte. Im Eintrag von Dorothee Andres zum Jahr 1950 heißt es:

Ebenso trafen wir den literarischen Agenten, der bereits Bücher von Andres an französische Verlage vermittelt hatte. Andres beging nun einen der größten Fehler seines Lebens. Mitten auf der Straße sagte er ihm, er benötige seine Dienste nicht mehr. […] Und ich hörte, wie der Agent antwortete: ‚Das werden Sie bereuen, Monsieur Andres!‘ Und wirklich hat es nie mehr eine Übersetzung seiner Bücher ins Französische gegeben!“

Nun bietet uns die französische Germanistin und literarische Übersetzerin Nelly Lemaire die Möglichkeit, dieses bedauernswerte Defizit – wenigstens teilweise – auszugleichen.

Der Anhang enthält eine Textprobe.

                                     Viel Freude beim Lesen der zweisprachigen Passage!

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen Ihr

Wolfgang Keil

Anhang: Eröffnungspassage des Romans „Die Hochzeit der Feinde“ in der Übersetzung von Nelly Lemaire

Rundbrief Nr. 167 – Im Februar 2021

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Leserinnen und Leser!

Mit seinem Roman „Die Hochzeit der Feinde“ setzt Stefan Andres schon früh ein Zeichen der Versöhnung im kriegsverwüsteten Europa.

Im Eintrag zu „1946“ kann Dorothee Andres in ihren Erinnerungen „‚Carpe Diem!‘ Mein Leben mit Stefan Andres“ festhalten: Die „Hochzeit der Feinde“ wurde beendet und an die „Deutsche Rundschau“ abgeschickt, wo Rudolf Peschel sie bald schon als Fortsetzungsroman abdruckte.

Aber schon unter dem Eintrag „1939“ schreibt Frau Andres: So reifte in Andres seit seiner Frankreichreise und dem kurzen Wiedersehen mit der Heimat, seit er uns 1938 in Frankfurt am Main traf, ein Stoff heran, den er nun 1939 in Positano niederschrieb: ‚Die Hochzeit der Feinde‘. Er spielt in und nach dem Ersten Weltkrieg in Trier, an der Mosel und in Frankreich. Er wollte darin zeigen, dass trotz größter Schwierigkeiten die Liebe alles zu überwinden vermag. Aber weder die ‚Frankfurter Zeitung‘ geschweige ein Verlag konnte dieses Thema veröffentlichen so kurz vor dem Überfall der Nazis auf Frankreich. Es gab dafür keine Erlaubnis mehr.

Am Beispiel der Vermählung des französischen Capitaine und Winzers François Frécourt und der deutschen Hugenottin Luise von Clairmont erzählt der Roman von der Versöhnung zwischen den Völkern Deutschlands und Frankreichs.

Ein düsteres Hintergrundgeschehen um Herrn von Clairmont, Luises Vater, erweist sich als schier unüberwindliche Hürde einer ehelichen Verbindung der Liebenden. Die dadurch bewirkte tragische Dramatik mündet jedoch in ein Happy End und wird auch immer wieder abgemildert und aufgelöst durch einen geradezu Shakespeare’schen comic relief.

Dafür sorgen vor allem zwei Nebenfiguren im Roman, in denen man die französischen Pendants zu so liebenswürdigen Positanesen wie Michelino oder Don Gianino erkennt: Es sind dies Babette, Haushälterin der Familie der Protagonistin Luise von Clairmont, und Onkel Charles, Bruder des Protagonisten Capitaine François Frécourt.

Bei beiden zeigt sich Charakterkomik oft in einer Form, die man genauer als Logik-Komik bezeichnen könnte. (Anhang)

                                   Viel Freude bei der Begegnung mit Babette und Charles!

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr

Wolfgang Keil

Zitate nach:

Dorothee Andres. „‘Carpe Diem!‘ Mein Leben mit Stefan Andres.“ Mit einem Vorwort von Christopher Andres und Michael Braun. Bonn 2009.

Anhang: Liebenswerte Nebenpersonen in „Die Hochzeit der Feinde“ (1946/7)

Rundbrief Nr. 166 – Im Januar 2021

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Leserinnen und Leser!

                                  Nachklang auf das Stefan-Andres-Gedächtnisjahr 2020

Leider nicht mehr vollenden konnte Stefan Andres seinen Essay „Der Geist, der hier gewaltet hat“, an dem er bis kurz vor seinem unerwarteten Dahinscheiden im Juni 1970 gearbeitet hat. Umso erfreulicher ist die Tatsache, dass der Verlag Hoffmann und Campe den Text als Fragment im Heft „Merian Rom 1970“ publizierte.

Zur Aufnahme des Essay-Fragments in das Monatsheft formuliert der Verfasser des Editorials mit Blick auf das hohe Ansehen des Schriftstellers Stefan Andres:

                                 „Es ist uns eine Ehre, seine letzte Arbeit zu publizieren.“

Und zur Bedeutung der Stadt Rom für den Deutschrömer Andres schreibt er:

                          „Ihm war Rom wirklich die Ewige Stadt, eine Chiffre – wie das Kreuz.“

Das Ende des Essay-Fragments soll als Ehrenbezeigung für Stefan Andres und sein Rom gelten! (Anhang)

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft mit den besten Grüßen und Wünschen im angelaufenen Jahr

Ihr

Wolfgang Keil

Anhang: Der Geist, der hier gewaltet hat. (Auszug)

Zitiert nach: Stefan Andres – Der Dichter in dieser Zeit. Reden und Essays. Hrsg. von Christopher Andres und Michael Braun. Göttingen 2013.

Rundbrief Nr. 165 – Weihnacht 2020

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Leserinnen und Leser!

In seinem Roman „Die Arche“ (1951), dem zweiten Teil der Trilogie „Die Sintflut“ (1949-1959), schildert Stefan Andres die prekäre Situation in einem Schweizer Heim, in das sich Verfolgte aus dem Reich des totalitären Herrschers, der von Deutschland aus Europa und die Welt bedroht, geflüchtet haben.

Historisch darf man sich den letzten Heiligabend vor dem Zweiten Weltkrieg vorstellen, an dem Lorenz Gutmann, der Protagonist des Romans, gebeten wird, eine Weihnachtsansprache (s. Anhang) zu halten.

Lorenz ist Theologiestudent und verkörpert als Gegner des Regimes, das im Roman deutliche Züge des Nationalsozialismus trägt, eine Position, die ihn in Wort und Geist zum Sprachrohr des Autors Stefan Andres macht. 

Um die Verwandtschaft von Romanautor und -figur besonders zu markieren, lässt Andres den Theologiestudenten Lorenz Gutmann im dritten Roman der Trilogie, „Der graue Regenbogen“ (1959), seinerseits zum Autor eines literarischen Werkes werden, das der Schriftsteller Stefan Andres selbst verfasst hat: Wie Stefan Andres wird Lorenz Gutmann nämlich zum Verfasser einer Lebensbeschreibung des Kirchenvaters Synesios.

Wir wissen u. a. durch ein Video, 1959 in Unkel aufgenommen, dass Stefan Andres zur Zeit der Vollendung der Trilogie schon intensiv mit dem Stoff beschäftigt war, aus dem der Roman „Die Versuchung des Synesios“ (1970) hervorgehen sollte. 

Man hört daher die Weihnachtsansprache einer Romanfigur, deren Nähe zu Stefan Andres in einzigartiger Weise verbürgt ist. Kennzeichnend für diese geistige Verwandtschaft ist nicht zuletzt der Verzicht des Redners auf die Erzeugung einer gefühligen Weihnachtsstimmung zugunsten einer religionsphilosophischen und letztlich ethischen Dimension der Betrachtung.

Zitate und Bezüge:

Stefan Andres: „Die Sintflut. Roman.“ Hg. John Klapper. Göttingen 2007. Ausgabe letzter Hand. Vom Autor gekürzte Fassung der ursprünglich dreibändigen Trilogie „Die Sintflut“: „Der erste Roman. Das Tier aus der Tiefe.“ München 1949. (818 Seiten).  „Der zweite Roman. Die Arche.“ München 1951. (679 Ss.). „Der dritte Roman. Der graue Regenbogen.“ München 1959. (493 Ss.).

„Stefan Andres. Unkel am Rhein 1959.“ – Filmdokument für Zeitgeschichte. Institut für den wissenschaftlichen Film (IWF). Göttingen 1959. 

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft

                   mit weihnachtlichen Grüßen und Wünschen

Ihr

Wolfgang Keil

Anhang: Rundbrief Nr. 165 Weihnachten 2020