Rundbrief Nr. 171 – Im Mai 2021

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Leserinnen und Leser!

In seinem Roman „Die Hochzeit der Feinde“ (1947) versieht Stefan Andres die sog. Mattheiser Madonna mit einer besonderen literarischen Rolle. Seine Poetisierung der vor allem im Katholizismus gepflegten Marienverehrung lässt sich zurückverfolgen bis zu seinem Erstlingswerk „Das Märchen im Liebfrauen-Dom“ von 1927.

Ähnlich wie dort ist auch die Begegnung Luises, der hugenottischen Protagonistin des Romans, mit der Madonna – der „Frau Maria“ und „Maienkönigin“ – getragen von menschlichem Empfinden und Verstehen. (Anhang)

Mit feinsinniger Feder zeichnet Stefan Andres die Figur, die aus dem Bild der Mattheiser Madonna heraus spricht, und macht so aus der sakralen Ikone eine Gesprächspartnerin, eine Freundin und schließlich eine sehr irdische Mutter, der Luise später sogar ihr Liebesleid vorträgt.

Zu diesem Zweck liest sie der „kindlich vornehmen Frau“ den Brief François Frécourts vor. Es geht um die Entscheidung, ob sie ihn doch noch ehelichen kann, ob sie also künftig Madame Frécourt sein wird oder ob sie als Schwester Luise ihr Dasein in einem Kindergarten fristen muss.

Sie erhält auf ihre Frage, was Maria gegen einen briefeschreibenden Schwiegersohn wie Frécourt einwenden könne, von der himmlischen „Frau Maria“ eine wortlose, aber vielsagende Antwort, denn diese lächelt, „wie gute Mütter lächeln, wenn sie gegen die Argumente ihres Kindes nichts einwenden können und doch nicht ganz damit einverstanden sind“.

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr

Wolfgang Keil

Anhang: Auszug aus dem Roman „Die Hochzeit der Feinde“.