Rundbrief Nr. 173 – Im Juli 2021

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Leserinnen und Leser!

Wenn Norbert Scheuer – wie wir hoffen – zur öffentlichen Verleihung des „Stefan-Andres-Preises für Literatur deutscher Sprache“ im September in Schweich erscheint, dann kommt es zu einer geistigen Begegnung zweier bedeutender Schriftsteller auf einem Boden, den man als Andres-Land bezeichnen kann.  Dabei ist es gut zu wissen, dass sich die beiden Schriftsteller schon früher einmal auf literarisch-imaginäre Weise begegnet sind – am Hindukusch im fernen Afghanistan.

In dieses sagenhafte Land führt uns der Reisebericht „Bei den Barfüßern am Hindukusch“, den Stefan Andres nach seiner Asienreise 1968 verfasst hat. Besonders angetan zeigt er sich von der Freundlichkeit und Bedürfnislosigkeit der Menschen am Hindukusch, denen die Wärme der Frühjahrssonne und der Gesang eines Vogels zum Wohlbefinden genügen:

„Dieses kerngesunde, rauhe, aber im Grunde gutmütige Gebirgsvolk kann an Anspruchslosigkeit kaum übertroffen werden. Wenn der Schnee geschmolzen ist oder sich nur irgendwo eine besonnte Hauswand zeigt, nimmt der Afghane nach getaner Arbeit gern seinen Vogelbauer, stellt ihn – wie die Leute bei uns ihren Transistor! – neben sich in die Sonne und hört dem Vogel zu.“

Stefan Andres: Bei den Barfüßern am Hindukusch. Mitteilungen der StAG XIX/1998.

In Norbert Scheuers Roman „Die Sprache der Vögel“ ist der Protagonist Paul Arimond wie sein Urahn Ambrosius Arimond fasziniert vom Artenreichtum der Vogelwelt Afghanistans und von der Schönheit und universalen Kommunikationsweise der Vögel. Deshalb versucht er, ihnen unter Einsatz seines Lebens im militärischen Sperrgebiet näherkommen. Er möchte ihre Sprache erlernen und ihre Lebensweise verstehen – und vielleicht noch etwas mehr:

„Ich weiß nicht, was an diesen Geschichten wahr ist, ob Vater selbst daran geglaubt hat. Jedenfalls liebte er es, uns davon zu erzählen. Hinter dem Hindukusch sei das Land der Vögel, sagte er, es gebe dort vielleicht mehr Vogelarten als in ganz Europa, ja in der ganzen westlichen Welt, das liege am einzigartigen Blau des Himmels.“

„Irgendetwas existiert im Leben, das mehr ist als wir selbst und für das es keine Sprache gibt. Vielleicht liegt darin der Grund, dass Vögel singen.“

Norbert Scheuer: Die Sprache der Vögel. München 2015.

      Davon mehr bei der Preisverleihung, die hoffentlich im September stattfinden kann!

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr

Wolfgang Keil