Rundbrief Nr. 146 – Im August 2019

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser!

Während die Trauben allmählich der Lese entgegenreifen, soll Stefan Andres‘ mythisch überhöhtes Bild von Rebe und Wein in Erinnerung gebracht werden:

Im Weinbau betritt der Mensch die höchste Stufe der uralten und heiligen Bemühung des Landmanns, im Auftrage Gottes das verlorene Paradies an allen Ecken und Enden im Schweiße des Angesichts wiederzufinden. Denn von keinem noch so gelungenen Werke landwirtschaftlicher Kultur trifft uns der Anhauch paradiesischer Lebenslust so stark wie in einem vieltausendstöckigen und im Glanz der Ordnung und gewaltiger Arbeit daliegender Weinberg. Und das ist darum so, weil der Mensch hier mit aller Kunst und allem Eifer und aller Kraft ein Werk hervorbringt, das keiner Notwendigkeit des Leibes, sondern der Seele dient, welche des glücklichen Gartens der Freude bedarf.

(Stefan Andres: Der Süden im Norden, in: Die deutschen Lande, 1954)

Wenn man wissen möchte, wo und wie man das verlorene Paradies zurückgewinnt, so antwortet Stefan Andres:

Denk ich recht von Herzen an die Mosel, zieht sich der Himmel meiner Erinnerung zu, Nebel erfüllt das Tal und verbirgt wie mit einem liturgischen Schleier die Berge, die nun alle „dulces montes“ sind. An diesem Tag beginnt die Lese!“

(Stefan Andres: Die Mosel, 1968)

An die sog. Untere Mittelmosel wird die LiteraTour der Stefan-Andres-Gesellschaft am 1. Oktober gehen. Mit Andres-Werken werden wir uns nach Ediger – einem der besterhaltenen [Ortsbilder] an der Mosel (G. Dehio) – zum Kloster Stuben, nach Traben-Trarbach, auf den Mont Royal und nach Bernkastel-Kues bewegen.

Dabei trifft es sich, dass uns in Ediger der Erzähler aus Hanns-Josef Ortheils Reise-Collage „Die Moselreise. Roman eines Kindes“ (2010) gleichsam entgegenkommt, und zwar nicht zufällig mit seiner Andres-Reiselektüre „Der Knabe im Brunnen“. Und die Ruinen des Klosters Stuben wird man mit größerem Gewinn betrachten, wenn man die trockenen historischen Daten um die Darstellung des authentischen Frauenschicksals in Josefine Wittenbechers Roman „Die Frauen von Stuben“ (2007) ergänzt.

Eine Einladung mit genaueren Angaben erfolgt im nächsten Rundbrief.

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr

Wolfgang Keil