Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Leserinnen und Leser!
Stefan Andres‘ Erzählung „Das goldene Gitter“ (1940), angeregt durch den Capri-Aufenthalt des jungen Schriftstellers im Jahr 1932, vermittelt in ihrer humorigen Gestaltung die Vorstellung von volkstümlicher Frömmigkeit und einem sinnenfrohen, erdzugewandten Christentum, wie es Andres schon mit dem „heiligen Pfäfflein Don Domenico“ präsentiert hat.
In der Gestalt des nach seiner geistlichen Eigenschaft einfach Zio Prete (Onkel Priester) genannten Protagonisten begegnet man, wie Dieter Richter, der Herausgeber des Andres-Bandes „Terrassen im Licht“ (2009), in seinem Kommentar vermerkt, einer Figur mit „derb-irdischen Zügen“.
Der ausgewählte Passus stellt den Priester als gewieften Makler dar, der kirchlichen Segen in bare Münze umzuwandeln versteht und der auch nicht davor zurückschreckt, einen wundertätigen Heiligen für seinen Handel einzuspannen. In dieser Absicht organisiert der Schelm eine Pilgerreise nach Sant‘ Agnello bei Sorrent.
Die Erzählung erinnert in ihrem heiter-erbaulichen Stil an die Kalendergeschichten von Johann Peter Hebel. Zio Prete scheint in Denk- und Handlungsweise sogar deutlich dem schlitzohrigen Protagonisten in dessen Erzählung „Der schlaue Pilgrim“ nachempfunden zu sein.
Für die Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen
Ihr
Wolfgang Keil
Anhang: Rundbrief Nr. 216