ANDRES, Stefan Paul – Schriftsteller.
* 26. Juni 1906 in Trittenheim-Dhrönchen, † 29. Juni 1970 in Rom
(Grab: Campo Santo Teutonico ).
Als Sohn einer Müllerfamilie, die durch den Bau einer Talsperre ihre Mühle aufgeben mußte, zog er mit 4 Jahren nach Schweich, wo er seine Jugend verleben sollte. Nach dem Besuch der Volksschule (1912-1918) wandte sich der von seinen Eltern zum Priester bestimmte Stefan Andres 1918 am Collegium Josephinum der Redemptoristen in Vaals den Gymnasialstudien zu.
Im Herbst 1920 verließ der Klosterschüler auf Anraten seiner Oberen als Untertertianer das Kolleg und
begann 1921, sich bei den Barmherzigen Brüdern von Maria Hilf in Trier als Postulant in der Krankenpflege zu versuchen. Schon kurze Zeit später wandte er sich aber dem Juvenat bei den Armen Brüdern vom Hl. Franz Xaver in Bleyerheide nahe Aachen zu.
(23.4. 1921 bis 1924). Während dieser Zeit entstanden Stefan Andres erste dramatische Versuche. Auch die Armen Brüder boten ihm keine Heimat und so bereitet sich Stefan Andres 1925/26 in Neuss auf das Lehrerexamen vor, das er am 17.3. 1926 ablegte. Stefan Andres wohnte währenddessen in Dormagen und arbeitete außerhalb der Examensvorbereitungen an einer geschlossenen Anstalt für Fürsorgezöglinge. Noch ein weiteres Mal suchte er das klösterliche Leben und trat in das Noviziat des Kapuzinerordens in Krefeld-Inrath (seit September 1926) ein. Am Ende des Noviziats stand das consilium abeundi. Anfang Januar 1928 übernahm er die Schriftleitung der katholischen Monatszeitschrift “Der Marienborn”, die ihm Raum für die Veröffentlichung früher, von ihm später wenig geschätzter Arbeiten bot. Er gab Nachhilfeunterricht in Latein und konnte sich zugleich auf das Abitur für Nichtschüler vorbereiten, das er schließlich im Februar 1929 ablegte. Er kehrte in sein Elternhaus zurück und es fiel sein Entschluss, sich nicht mehr auf das Ziel Theologiezu fixieren. Sein Sinn richtete sich stattdessen auf das Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie. Als Studienort wählte er Köln (1929-1931), von wo aus es ihm möglich war, Kontakte zur Kölner Künstlerszene zu knüpfen. Zum Sommer 1931 wechselte er an die Universität Jena. Dort lernte er seine spätere Frau, die Medizinstudentin Dorothee Freudiger, kennen. Trotz bescheidener finanzieller Verhältnisse setzte Stefan Andres im Wintersemester 1931/1932 seinStudium an der Berliner Humboldt – Universität fort. Nachdem Stefan Andres “Bruder Lucifer” erschienen war und mit einem Stipendium der Abraham-Lincoln-Stiftung honoriert wurde, verwirklichte er sich 1933 seinen Traum einer Italienreise, die bleibende Folgen haben sollte.
Einen akademischen Abschluss erwarb der junge Autor nicht mehr. Nach seinem Umzug nach Köln heiratete Stefan Andres 1932 Dorothee Freudiger, die eifrigste Förderin seines literarischen Schaffens.
Im nationalsozialistischen Deutschland gelang es dem jungen Autoren nur schwer, Fuß zu fassen. Sein Leben bewegte sich in den folgenden Jahren zwischen Angst und Anpassung. Eine Tätigkeit beim Kölner Rundfunk unterbrach er nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten und zog sich im Frühjahr 1933 mit seiner halbjüdischen Frau nach Positano (Italien) zurück. Für kurze Zeit aber kehrten beide zurück, bevor ihm 1935 beim Rundfunk gekündigt wurde. Über Lomnitz, wo seine Schwiegereltern lebten, und München wandte er sich 1937 mit seiner Familie wieder dem Mittelmeerstädtchen Positano zu. Seine in Lomnitz entstandene Novelle “El Greco malt den Großinquisitor” wurde zur subtilen Auseinandersetzung mit der eigenen Zeitgeschichte. Trotz Bildung der politischen Achse Deutschland-Italien 1938 blieb Stefan Andres, letztlich zur inneren Emigration entschlossen, in Positano. Diese Schaffensphase mit ihren Romanen, Novellen, Erzählungen und Gedichten kann zur fruchtbarsten gezählt werden.
1941 legte Stefan Andres ein weiteres zentrales, nicht nur zeitkritisch zu lesendes Werk vor: “Wir sind Utopia”; es wurde später dramatisiert und mehrfach verfilmt. Der Tod der ältesten Tochter 1942 fand seine tiefste Auseinandersetzung in lyrischer Form. Nach der Landung der Alliierten in Italien 1943 hielt Stefan Andres im Auftrag der Alliierten zeitweise Reden an die Deutschen. Eine frühe Rückkehr nach Deutschland wurde ihm verwehrt, so dass Stefan Andres 1948 zunächst nur zu einer Lesung einreisen und erst 1949/1950 im Zuge der Repatriierung mit seiner Familie zurückkehren durfte. In Unkel am Rhein nahm man Wohnung. Kaum zurückgekehrt erhielt er 1949 den Rheinischen Literaturpreis. Beim Zweiten Internationalen Jugendkundgebung 1948 in München machte er die Bekanntschaft mit seinem späteren Verleger Klaus Piper, in dessen Verlag das Gros seiner Werke erschien. Stefan Andres wurde Mitglied des PEN und der Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung. Sein Gesamtwerk wurde im Juli 1952 durch den Literaturpreis von Rheinland-Pfalz gewürdigt, im Juli 1954 empfing er den Großen Kunstpreis Nordrhein-Westfalens. Auch die Italienische Republik, die ihn beheimate hatte, ehrte Stefan Andres 1957 mit der Verleihung ihres Komturkreuzes. Die Bundesrepublik schloss sich im Januar 1958 mit der Verleihung des Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik an, nachdem Stefan Andres 1957 den Dramatikerpreis der Stadt Oldenburg entgegen nehmen konnte. Im Protest gegen das “Schmutz- und Schundgesetz” und gegen die atomare Aufrüstung der Bundeswehr engagierte sich Stefan Andres in besonderem Maße auch politisch. Ebenso kompromisslos war sein Eintreten für die Verständigung zwischen Ost und West und seine Hoffnung auf eine deutsche Wiedervereinigung. In Düsseldorf erlebte sein Werk “Gottes Utopia” – das beste seiner Dramen – unter Gustav Gründgens Regie im September 1950 die Uraufführung, der eine Vielzahl weiterer Aufführungen folgten. Das Werk wurde 1953 in Berlin mit der Jochen-Klepper-Medaille ausgezeichnet. Die Aufführung seines Dramas “Sperrzonen” 1958, eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der Shoah, hingegen evozierte einen Skandal. Im Herbst des Jahrs 1961 machte Stefan Andres seinen Entschluss zur Rückkehr nach Italien wahr. Diese war auch Ausdruck einer gewissen Enttäuschung über die deutschen Verhältnisse, die seiner Vorstellung eines erneuerten Deutschlands nicht entsprachen. Während des Zweiten Vatikanums bildete Stefan Andres römisches Haus einen Treffpunkt literarischer und theologischer Persönlichkeiten. Stefan Andres literarisches Schaffen wurde stiller, aber auch stärker von philosophischen Themen bestimmt. Seine letzte große Reise führte Stefan Andres 1968 nach Asien und in den Orient. Einem leichten operativen Eingriff folgte eine Komplikation, an der Stefan Andres verstarb. Stefan Andres vertritt in seinen Werken eine Form christlichen Existentialismus, in der er sich mit der Lebensgestaltung des Menschen zwischen Freiheit und Schuld auseinandersetzt. Seine Werke zeigen eine Entwicklung, in der er sich zunehmend Stoffen antiker und mythologischer Herkunft widmet, um mittels ihnen die zeitübergreifenden Themen des Menschen literarisch darzustellen. Dabei ist sein Werk nie zeitvergessen, sondern vermittelte kritische Zeitgenossenschaft. Stefan Andres Christlichkeit in der Suche nach Gott und Wahrheit ist geprägt von einer humanistischen, zuletzt neuplatonisch geformten und undogmatischen Auslegung des Glaubens.