Rundbrief Nr. 215 – Im August 2024

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Leserinnen und Leser!

In seiner einfühlsamen Satire „Verteidigung der Xanthippe“ (1942) entwirft Stefan Andres das Porträt der Frau des Sokrates in neuen Farben. Die zum Inbegriff des „zänkischen Weibes“ herabgewürdigte Xanthippe erhält bei ihm die Stimme der sorgenvollen Ehefrau.

Wie Bertolt Brecht in seiner Erzählung „Der verwundete Sokrates“ (1939) macht es sich auch Stefan Andres zur Aufgabe, die redensartlich gemeinhin als zänkisch geschmähte Xanthippe zu rehabilitieren und die literarisch bezeugte Frauengestalt in ihrem Selbstverständnis und ihrer ehelichen Beziehung zum allseits gerühmten Philosophen zu würdigen.

Die Frau des Sokrates, die Platon im „Phaidon“ ohne erkennbare Herabsetzung erwähnt, war  zur Verkörperung des zänkischen Weibes geworden infolge einer denunziatorischen Frage, die Xenophon in seinem „Gastmahl“ dem Sokrates-Schüler Antisthenes in den Mund legt:

„Warum nur, Sokrates“, fragte ihn Antisthenes, „erziehst dann nicht auch du in dieser Erkenntnis Xanthippe, sondern hast in ihr die unverträglichste  Frau von allen, die es gibt – ja, ich glaube, sogar von allen, die es gegeben hat und geben wird?“

Stefan Andres nimmt zum Zweck der Rehabilitierung ausdrücklich Bezug auf diesen Urheber der Xanthippe-Verunglimpfung und setzt gegen dessen schiefes Porträt das Bild einer Frau, die durch ihre Identität und ihr Rollenverständnis unsere Achtung verdient.

Im gerechten Ausgleich zu Platons „Apologie des Sokrates“ erhalten wir damit die lang fällige „Apologie der Xanthippe“.

Für die Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr

Wolfgang Keil

Anhang