Rundbrief Nr. 142 – Im April 2019

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser!

In ihren Erinnerungen „‘Carpe Diem!‘ Mein Leben mit Stefan Andres“ (Bonn 2009) schildert Dorothee Andres einen bemerkenswerten kaiserlichen Schenkungsakt.

Dort findet sich unter dem Jahr „1956“ der folgende Eintrag:

Eines Morgens erreichte uns ein Telegramm von Kaiser Haile Selassie, den Stefan Andres auf dem Empfang in Brühl gegen jede Etikette angesprochen hatte, woraus sich damals eine kurze Unterhaltung ergab. Es lautete: „Stefan Andres Unkel = Im allerhöchsten Auftrag seiner Majestät des Kaisers von Äthiopien und Löwen von Juda habe ich die Ehre, Ihnen mitzuteilen, dass eine Insel im Hoheitsgebiet unseres Landes Ihnen zu Ehren den Namen Utopia erhalten hat = BEN DISA BEBA Botschafter+“

Bald folgte ein zweites Telegramm: „Ernenne Sie zum Ehrenbürgermeister von Utopia und freue mich auf einen Wochenendbesuch Ihrer Familie = IHR HAILE“. Mittags kam dann ein letztes: „Utopia leider am 1. April in den Fluten versunken. Bitte weiter dichten = DIE UTOPIER+“ Wir wussten natürlich, unser Freund Albert hatte uns auch in diesem Jahr zum ersten April nicht vergessen.

Anlass war ein Ereignis aus dem Jahr „1954“:

Der abessinische Kaiser Haile Selassie war auf Staatsbesuch in Bonn eingetroffen. Es gab einen Empfang auf Schloss Brühl. Gut, dass wir unser Hausmädchen die Fahrprüfung machen ließen, mein bodenlanges Kleid mit über 7 Meter Saumumfang, was vorgeschrieben war, war nicht zum Steuern geeignet. Ingrid war der einzige weibliche Chauffeur dort. Zur Vorstellung bei der kaiserlichen Hoheit standen die Geladenen paarweise im großen Saal, ein Herold meldete laut die Namen, und man durfte das zarte braune Händchen ergreifen. Diese wortlose Begrüßung fand Andres stur und sagte strahlend „Guten Abend, Majestät“. Darauf auf Englisch die freundliche Frage: „Name? Beruf?“ – und ein bewunderndes „Ah, a writer, good luck!“. Hinterher rügte das Protokoll des Auswärtigen Amtes Andres heftig. Man habe nicht zuerst das Wort zu ergreifen, sondern müsse warten, bis man angesprochen werde.

Im Namen der Stefan-Andres-Gesellschaft mit freundlichen Grüßen

Ihr Wolfgang Keil